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Feldenkrais in Bewegung
Paul Doron Doroftei
 
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Die Feldenkrais-Methode® als Prävention für Neugeborene

Vorbemerkungen und Einleitung

Die Anleitungen in dem praktischen Teil sind mit Absicht derart ausgewählt, dass für den Leser so wenig wie möglich die Gefahr besteht sie zu missverstehen. Jede/r von uns besitzt eine Grundintuition und eine Urteilskraft, die es ihr/ihm ermöglichen die folgenden praktischen Anleitungen sinnvoll anzuwenden. Auf der anderen Seite besitzt jedes Lebewesen, ob gesund oder schwer behindert, die Fähigkeit das Fördernde als solches wahrzunehmen, anzunehmen und mit dessen Hilfe seinen Zustand zu verbessern.

Gerade weil Mütter sich am längsten im nahen Kontakt mit ihrem Kind befinden und in den meisten Fällen die Personen sind, die am intensivsten am Gesundungsprozess ihres Kindes teilhaben, richte ich diese Anweisungen in erster Linie an die Mütter spastischer Säuglinge und Kleinkinder. Ich weiß, die Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Schicksal und dem Schicksal ihres Kindes fordert viel Kraft, Mut, Tapferkeit und Hoffnung. Weil aber eine nur passive Hoffnung seitens der Eltern ihrem Kind nicht sehr viele Chancen zur Besserung bietet, gebe ich hier einige praktische Anweisungen zu einem besonderen Umgang mit dem spastischen Säugling und Kleinkind - einem Umgang, der es dank seiner menschlichen und persönlichen Qualität gerade den Eltern behinderten Kinder ermöglicht, ihrem Säugling oder Kleinkind in vieler Hinsicht mehr zu helfen als eine hinzugezogene, emotional unbeteiligte Hilfskraft.

Die Eltern sind immer diejenigen, die fähig sind, durch ihre Aufmerksamkeit und ihre Liebe für ihr Kind die kleinsten Änderungen in den Reaktionen ihres Kindes wahrzunehmen, noch bevor ein Arzt oder ein Therapeut es tut - eine Zuwendung und eine Liebe, die für jede Lern-, Entfaltungs- und Genesungsfähigkeit unabdingbar sind.

In diesen praktischen Anleitungen werden Sie lernen, die "entscheidenden Unwichtigkeiten" und ihre entscheidende Rolle in dem organischen Entwicklungs- und Lernprozess durch Erfahren und Erleben wahrzunehmen und zu erkennen.

Sie werden auch entdecken, dass, obwohl die Wirkung der Feldenkrais-Methode und die Anwendungs-Kunst dieser Methode weitreichende Wirkungen auf die Entwicklung unseres Körpers und unserer Persönlichkeit hat, diese Kunst der Berührung und der Bewegung in der Tat sehr einfach und für jeden, der neugierig ist die Methode kennen zu lernen, logisch, verständlich und zugänglich ist, genauso wie die Natur überhaupt für uns gleichermaßen einfach und komplex ist.

Es sind "Unwichtigkeiten", die in der gleichen Weise, in der "der Ton die Musik macht", hauptsächlich dem Wie anstatt dem Was oder dem Warum gelten. Das "Wie" alleine trägt die ganze Verantwortung für den Fortschritt. Wenn man der Qualität des "Wie" in unserem Tun eine größere Aufmerksamkeit verleihen würde, könnten wir das erreichen, was Feldenkrais in seinem Spruch "Das Unmögliche wird möglich, dann leicht, angenehm und schließlich ästhetisch befriedigend" schön und knapp zum Ausdruck bringt.

Die in den vorhergegangenen Kapiteln theoretisch behandelten Themen, wie Schwerkraft und unsere Anpassung an diesem Urreiz, ohne die unsere Bewegungssprache und unsere Existenz in ihrer jetzigen Form überhaupt undenkbar wären, sowie unsere Wahrnehmung, unsere Bewusstheit und die notwendigen Bedingungen, in denen sie entstehen, werden im folgenden auf praktische Weise ausprobiert und erlebt, um sie deutlicher erkennen zu können.

Ich höre und vergesse.
Ich sehe und erinnere.
Aber ich tue um zu verstehen.

Die folgenden Experimente sind zu zweit zu machen.

1. Berühren und Halten

Die andere Person legt sich flach auf den Rücken. Versuchen Sie Ihre Hände, schrittweise, von den Füßen und Fußgelenken bis zum Nacken und Kopf der liegenden Person aufzulegen und die Stellen, die Sie berühren, sanft und sicher zu halten und nach einer Weile sanft wieder loszulassen. Machen Sie dies folgendermaßen: ein und die gleiche Stelle 4 bis 6 Mal einen kompletten Atemzug lang so kräftig halten, als wollten Sie das Körperteil anheben, aber ohne es zu tun und danach loslassen. Die Zeiten des Haltens und des Nichtberührens sind mehr oder weniger gleich lang: ein vollständiger Atemzug, d.h. ein Ein- und Ausatmen. Machen Sie das von den Füßen bis zum Kopf, schrittweise und überall wo sie können, auf allen Seiten. Sie werden sich wundern, welche starke und verblüffend wohltuende Wirkung eine so einfache Berührung haben kann.

Das Halten und das Loslassen können, wenn mit voller Zuwendung und Aufmerksamkeit, unbegrenzte Zeit und überall auf unserem Körper angewendet werden. Wichtig ist es, die Stellen, die man berührt und hält, immer wieder zu wechseln, d.h. nicht länger als eine halbe Minute an ein und der gleichen Stelle zu bleiben. Die Wiederholung der Berührung an ein und der gleichen Stelle wird noch positiver wirken, wenn dies erst geschieht, nachdem der Rest des Körpers berührt wurde. Genauso wie in der Dichtung oder in der Musik, wenn sich ein Satz, ein Thema oder auch nur ein Wort im gleichen Stück in einem neuen inhaltlichen Kontext wiederholt, durch die Wiederholung reicher an Bedeutung wird, gewinnt auch die Berührung an Sinn und Wirkung, wenn sie in ihrer Nuancierung und Platzierung leicht variiert. Grundsätzlich soll jede Wiederholung in einem anderen Kontext gemacht werden und sei der Unterschied auch nur die Verschiebung der berührenden Hände um einen Millimeter.

Um diese Art der "Behandlung" in ihrer Anwendung und Wirkung völlig verstehen zu können, so dass Sie wirklich "wissen, was Sie tun" praktizieren Sie selbst und lassen Sie sich von einer anderen Person in der beschriebenen Art "be-handeln". So nehmen Sie einmal wahr, was Sie tun, und im anderen Fall, wie es sich anfühlen kann, was Sie tun. Je mehr und je öfter Sie diese Berührungssitzungen wiederholen, desto inhalts- und bedeutungsreicher werden die Berührung und ihre Wirkung.

Dieses Praktizieren hat als Inhalt mehr ein Selbstwahrnehmungselement als eine spezifisch funktionale Förderung. Durch die Erhöhung der Selbstwahrnehmung wird eine höhere funktionale Lernbereitschaft erreicht. Diese Art Berühren kann, wenn sehr häufig und sorgfältig ausgeführt, schon genügen, um in vielen Fällen von spastischer Lähmung bei Säuglingen, in einer relativ sehr kurzen Zeit den Zustand dieser Kinder deutlich zu verbessern.

2. Rotation des Beines

In der Rückenlage, die Knie mit kleinen Kissen oder Rollen gestützt. Die Arme liegen neben dem Rumpf, etwas vom Rumpf entfernt und mit Stützen unter den Händen, die mit den Handflächen nach unten gerichtet und etwas näher zum Rumpf als die Ellenbogen liegen.

Die praktizierende Person legt ihre Hand auf das rechte Knie der liegenden Person und versucht mit den langsamsten und kleinsten Bewegungen die Bereitschaft des Beines zu testen nach außen und nach innen zu rollen, oder besser gesagt sich rollen zu lassen. Entscheidend ist zu spüren, wann in der Beinmuskulatur der kleinste Widerstand vorkommt. In diesem Moment soll das Bein nicht weiter gerollt, sondern nach einem kurzen Innehalten zurück zur Ausgangsposition gebracht werden. Diese sehr leichte Bewegungsandeutung mehrere Male in eine Richtung, danach in die andere, mit jeweils kurzem Innehalten dazwischen, hintereinander wiederholen. Der liegenden Person wird nur die Richtung angedeutet, in die sie ihr Bein rollen lassen soll, ohne dass die praktizierende Person eine sichtbare Bewegung des Beines machen muss. Diese leichte Andeutung ist wie eine Untersuchung der Bereitschaft des Beines, sich in die angedeutete Richtung zu bewegen. Die Zwanglosigkeit dieser Andeutung hat mehr die Funktion einer erwartungsfreien "Einladung" des Beines zum Rollen - eine Zwanglosigkeit, welche die notwendige innere Ruhe und Aufmerksamkeit auf einen selbst ermöglicht und erzeugt, damit die Person selbst wahrnehmen kann, was sie mit ihrem eigenen Bein tut, d.h., inwiefern sie unnötigerweise ihre Beinmuskulatur steif hält.

Diese leichte Andeutung zum Rollen ist nur einer von vielen verschiedenen möglichen Kontexten, in denen man das wahrnehmen kann, was man mit sich selbst eigentlich tut, ohne dass man überhaupt davon weiß. Man wird staunen, wie viel unbewusste Spannungen sich im Körper ansammeln und wie schnell und effektiv solche Spannungen durch derart winzige, (von außen betrachtet) fast unbemerkbare Bewegungen, nachlassen und sich lösen. Die Selbsterfahrung im Kontext dieser Übung wird jedem deutlich machen, warum ein Säugling genau so darauf reagieren wird, wie ein Erwachsener, nur schneller: weil die Reaktion, die Wirkung dieser Übung, wie die jeder Bewegung und Berührung in einer Feldenkrais-Sitzung, keine intellektmäßigen Bewusstheits-Schranken passieren soll - auch wenn sie uns, Erwachsene wie Säuglinge, vom eigenen Bewegungsverhalten bewusst, kinästhetisch bewusst macht -, in der Tat eine Bewusstseinsebene überhaupt nicht voraussetzt. Unsere Reaktion ist die Antwort einer viel tieferen Schicht, der sensomotorischen Ebene im Nervensystem, die von der Bewegung und Berührung direkt angesprochen wird und die beim Säugling und Kleinkind sogar viel spontaner reagiert als beim Erwachsenen, gerade wegen der intellektmäßigen Bewusstseinsschranken des letzteren. Je gefestigter das Selbstbild, um so umständlicher wird für es, neue Alternativen spontan anzunehmen und zu integrieren und von um so größeren Erschütterungen werden die dadurch hervorgerufenen Änderungen gelegentlich begleitet: Es gibt nicht wenige Sitzungen, vor allem bei schweren Behinderungen, in denen das Gefühl der Befreiung sich auch durch Lachen oder (bei Erwachsenen) durch Weinen Luft macht. Je früher im Formungsprozess des Selbstbildes bessere, den Funktionsgrundsätzen des Nervensystems angemessenere Alternativen angeboten werden, um so selbstverständlicher und spontaner werden sie angenommen und integriert.

Nach einigen Malen, in denen das Bein in eine Richtung und zurück zur Ausgangsstelle langsam und leicht "bewegt" wurde, und dann in die andere Richtung, probiert man das Rollen des Beines in beide Richtungen nacheinander. Ich möchte Sie der Tatsache bewusst machen, dass ich absichtlich "Ausgangsstelle" und nicht "zurück zur Mitte" gesagt habe. Ausgangsstelle bedeutet, dort wo das Bein lag, noch bevor es berührt oder bewegt wurde, während die Mitte einen absoluten Wert hat, unabhängig von der Ausgangslage des Beines. Mitte heißt: mit dem Knie zur Decke gerichtet. Weil bei jeder Person die Verspannungen anders sind und anders auf die Körperhaltung einwirken, kann das Bein bei einer Person mehr nach außen, bei einer anderen mehr nach innen gedreht liegen. Deshalb habe ich absichtlich "zurück zur Ausgangsposition" und nicht "zurück zur Mitte" gesagt, um jede Zwangsvorstellung zu vermeiden. Eine Zwangsvorstellung ist immer von der Wirklichkeit entfremdet und setzt sich mit ihr nicht auseinander, sondern ignoriert sie und wird versuchen, diese Wirklichkeit der (Zwangs-)Vorstellung anzupassen, d.h. "zwingen", weil . . . "so muss es gemacht werden".

Nachdem Sie die gleiche Übung an beiden Beinen, getrennt und zusammen, beide Beine in die gleiche Richtung und auch entgegengesetzt (d.h., gleichzeitig ein Bein nach rechts, das andere nach links, und umgekehrt) "gerollt" haben, versuchen Sie genau das Gleiche, aber diesmal die Hand/Hände nicht auf den Knien, sondern auf der Mitte des Oberschenkels und danach auf der Mitte des Unterschenkels zu halten.

3. Rotation des Beckens

Danach, legen Sie Ihre Hände unter das linke und rechte Gesäß der liegenden Person, so dass die Finger mehr oder weniger in die Kopfrichtung der liegenden Person zeigen.

Versuchen Sie in dieser Stellung das Becken der liegenden Person ganz langsam nach links und nach rechts zu rollen, wie in einem leichten Schaukeln. Jede der praktizierenden Personen muss die eigene Körperhaltung für sich finden, in der diese Übung zu machen ist, ohne dass man sich zu sehr anstrengt.

4. Rotation der Beine

Nach einer kurzen Pause von einer bis zwei Minuten versuchen Sie die Beine der liegenden Person, beide, in die eine und dann in die andere Richtung zu rollen, diesmal aber mit den Händen unter den Oberschenkeln gelegt, dort wo sich die hinteren Sehnen des Beines befinden. Danach das Gleiche, aber mit den Händen in der Mitte der Unterschenkel von unten gestützt. Das Stützen soll entlastend wirken und nur so viel wie notwendig um stützend die Unterschenkel, die in den Händen liegen, rollen zu können: zuerst beide Beine in die gleiche Richtung, und dann in die Gegenrichtung.

5. Rotation des Beckens

Danach legen Sie die Hände auf den Bauch, an beiden Seiten des Nabels und versuchen Sie das Becken und den Bauch ganz leicht von einer Seite zur anderen zu rollen.

6. Rotation der Schultern

Jetzt setzen Sie sich an den Kopf der liegenden Person und versuchen Sie die Daumen unter ihre Schulter zu schieben. Die Handfläche ist nach unten gerichtet und die anderen Finger zeigen seitlich, außerhalb der Schulter. Wenn Sie die Schulter mit den Daumen ein wenig anheben und Ihre Hände mit der Innenfläche in Richtung der Schulterblätter drehen, kommen Sie mit den Handflächen bis unter die Schulterblätter, ohne dass die liegende Person ihre Lage ändern muss. In dieser Lage versuchen Sie die Schulter der liegenden Person nur so viel zu heben, als ob Sie nur das Gewicht der Schulter spüren möchten. Halten Sie die Schulter eine Weile, eine bis zwei Minuten, in dieser Art gestützt und dann lassen Sie langsam nur eine Schulter nach unten zurück gehen um sie nachher wieder nach oben zu bringen während die andere Schulter nach unten gesenkt wird, so dass eine abwechselnde Auf- und Abbewegung der Schulter entsteht. Wichtig ist es, dass die Schultern sich gleichzeitig und nicht eine nach der anderen in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Diese Auf- und Abbewegung der Schulter muss ruhig, langsam, klein und mit voller Rücksicht auf den Atemrhythmus der liegenden Person ausgeübt werden. In dem Moment, in dem die liegende Person einatmen möchte, versuchen Sie die Schulter, die gerade angehoben gestützt ist, ein wenig zu senken, sozusagen im Halten nachzulassen, so dass sich der Brustkorb und die Rippen beim Einatmen nicht eingeengt fühlen und dass nur das Gefühl, gestützt zu werden, erweckt wird ohne die liegende Person in ihrem Atmen einzuschränken.

Man kann die abwechselnde Bewegung der Schulter weitermachen und gleichzeitig, wenn die Atmung tief sein möchte, wenn der Brustkorb sich mit anderen Worten mehr öffnen will, in der Stützung der gehobenen Schulter ein wenig nachgeben, um danach, nachdem der Atem seine ruhige Regelmäßigkeit wieder bekommt, die schaukelnde Bewegung weiter zu machen. Die Bewegung soll allmählich fließend werden, aber trotzdem ruhig bleiben, ähnlich dem Schaukeln eines Bootes auf ruhigen und gleichmäßigen Wasserwellen. Nach etwa fünf Minuten, wenn die Bewegung in den Schultern sehr fließend geworden ist, legen Sie Ihre Hände ganz flach auf die Liegefläche, unter den Schultern und dann, langsam, ziehen Sie sie von unter den Schultern zur Seite weg.

Grundsätzlich, soll jede Berührung eine stützende und nicht eine manipulative Aufgabe erfüllen, auch dann, wenn man nur mit den Fingerspitzen berührt: immer daran denken, dass Ihre Berührung den Körper an der berührten Stelle niemals drückt, niemals drücken darf und sich nicht auf die Muskeln bezieht, sondern der behandelten Person ein Stützen gewährt. Die Wirkung dieses Gedankens auf die Qualität ihrer Berührung wird sich sofort bemerkbar machen, indem die berührte Person allmählich sehr tief und wie von einem Druck befreit zu atmen anfangen wird. So wird Ihre Berührung eine Funktion des Befreiens, anstatt eine des Korrigierens und des Erwartens und des Drängens sein.

Bei Säuglingen und Kleinkindern kann man außerdem eine deutliche Entspannung erzielen, wenn man, während das Kind in den Armen gehalten wird, sehr winzige Änderungen in der Lage des gestützten Körpers, abwechselnd und mit der Regelmäßigkeit eines ruhig schlagenden Pendels bringt. Zum Beispiel, wenn eine Hand das Kind von unter dem Becken stützt, während der Oberrumpf des Kindes und sein Kopf auf Ihrem anderen Arm liegt: Sie können das Becken ein wenig nach rechts und ein wenig nach links rollen, so dass eine leichte Drehung im Rumpf entsteht, oder das Becken, so wie es liegt, nur ein wenig und sehr langsam nach unten sinken lassen und dann wieder zur ursprünglichen Lage bringen, oder mal nach rechts und mal nach links verschieben, diesmal ohne es zu drehen, dann in der verschobenen Lage halten und so das Becken in Bezug zum Rumpf wieder mal nach links und mal nach rechts ein wenig drehen. Dann noch einmal das Becken zurück zur Mitte bringen und weiter drehen.

Ausführen während Alltagshandlungen

Ich habe eingangs die "Unwichtigkeiten" und deren Bedeutung im organischen Lern- und Entwicklungsprozess angesprochen. Diese "Unwichtigkeiten" finden sich in der Regel im "Wie" einer Handlung und nicht im "Was" oder "Warum": Warum Sie Ihr Kind anziehen und was Sie Ihrem Kind anziehen steht im Alltag üblicherweise im Vordergrund. Wie Sie Ihr Kind anziehen, ist normalerweise unwichtig; Hauptsache, es ist angezogen.

Dieser "unwichtigen" Frage, wie Sie etwas tun, sollten Sie mehr Aufmerksamkeit zuwenden, denn Sie können diese Übungen als Teil Ihrer Alltagshandlungen spielerisch durchführen. Wenn der Säugling beim Anziehen oder Windelwechseln schon auf dem Rücken liegt, kann je nach zur Verfügung stehender Zeit eine oder mehrere der Übungen gemacht werden. Während der Säugling an der Brust saugt, kann die Mutter das Halten des Kindes minimal verändern und dadurch eine minimale Rotation des Beckens erreichen.

Ich möchte die Variationsmöglichkeiten am Beispiel des Badens genauer veranschaulichen:

Der Säugling wird so gehalten, dass er waagerecht mit Gesäß und Schultern/Kopf auf je einer Hand liegt. Durch das aufeinander folgende langsame und sanfte Hineinlegen und Herausheben des Säuglings ins und aus dem Wasser erlebt er eine Variation der Übung von Berühren und Halten, da sich beim Übergang der Druck auf die Handflächen ändert. Im Wasser üben die Hände weniger Druck auf die Berührungsstellen aus, da das Wasser einen Teil des Gewichts trägt. So nimmt der Säugling eine Änderung der Schwerkraftwirkung wahr, die mit dem Wechsel des Mediums Luft zu Wasser und umgekehrt zusammenhängt.

Dieses Hineinlegen und Herausheben kann variiert werden, indem bspw. zuerst die Beine und dann nach und nach der übrige Körper bis zu den Schultern bzw. Nacken und Hinterkopf ins Wasser hinein und ebenso wieder herausgehoben wird. Auch seitliche Variationen sind möglich und bieten neue Reize an, die die Unterscheidung von links und rechts vorbereiten. Jede dieser Übungen trägt zur Entwicklung der Raumorientierung des Säuglings bei.

Die Aufmerksamkeit des Erwachsenen gilt dem sanften Bewegen des Säuglings und dessen Reaktionen auf seine Wahrnehmungen dieses Spiels. Ein Teil der Aufmerksamkeit darf und sollte sich durchaus auch auf die eigene Wahrnehmungen konzentrieren, bspw. die Änderung des Drucks mit dem der Säugling auf den eigenen Händen lastet, das Empfinden beim Übergang ins Wasser und zurück in die Luft und vieles mehr.

Die Eigenbewegungen des Säuglings können zu neuen Variationen auffordern und der Erwachsene kann dem Säugling weitere Möglichkeiten anbieten, wodurch dieser seinen Körper, Teile seines Körpers, die Kontraste der beiden Medien Luft und Wasser und die unterschiedlichen Schwerkraftempfindungen wahrnehmen kann.

Das Wohlbefinden des Säuglings und des Erwachsenen sind entscheidend und so sind die Grenzen des Spiels dort erreicht, wo sich einer von beiden unwohl fühlt und ein entspanntes, "zielloses" Lernen nicht mehr möglich ist.